Lipödem, eine komplexe Erkrankung, wird oft mit hormonellen Ungleichgewichten in Verbindung gebracht. Forschungen deuten darauf hin, dass Östrogen eine Schlüsselrolle in diesem Prozess spielt. Dieses Hormon ist entscheidend für die Regulierung des Fett- und Glukosestoffwechsels in Fettzellen. Insbesondere bei Frauen beeinflusst Östrogen die Verteilung des Körperfetts. Daher vermuten Experten, dass Östrogen zur Pathophysiologie des Lipödems beiträgt. Diese Annahme stützt sich auf Beobachtungen, dass Lipödem hauptsächlich bei Frauen auftritt und oft mit hormonellen Veränderungen zusammenhängt. Folglich rückt das Verständnis der hormonellen Mechanismen in den Fokus der Lipödemforschung.
Hormonelle Einflüsse im Kontext des Lipödems
Lipödem tritt fast ausschließlich bei Frauen auf, was auf eine hormonelle Ursache hindeutet. Selten wird es bei Männern mit Hormonungleichgewichten beobachtet. Die Rolle von Östrogen im Fettstoffwechsel und die Unterschiede in den Östrogenrezeptoren des Fettgewebes sind entscheidend. Diese Unterschiede beeinflussen die Lipolyseaktivität des Gewebes:
- Verringerung der Alpha-Östrogenrezeptoren
- Zunahme der Beta-Rezeptoren
- Abnahme der Lipolyse
- Erhöhte Fettansammlung
Die Anzahl der Östrogenrezeptoren im Unterhautfettgewebe an Gesäß, Armen und Beinen könnte eine Rolle spielen. Eine verringerte Signalgebung in den Östrogenrezeptoren ist ebenfalls eine mögliche Erklärung. Obwohl noch nicht bewiesen, könnte dies die Entwicklung des Lipödems in der Pubertät und dessen Verschlechterung während hormoneller Ereignisse wie der Schwangerschaft erklären.
Kürzlich wurde ein Gen für Lipödem im „Journal of International Molecular Science“ entdeckt. Dieses Gen, das bei Familienmitgliedern von Frauen mit Lipödem gefunden wurde, kodiert für das Enzym Aldo-Ketoreduktase, das für den Progesteronstoffwechsel verantwortlich ist. Dieser Fund könnte eine wichtige Ursache für Lipödem sein, da:
- Östrogen und Progesteron die Fetteinlagerung im Unterhautgewebe beeinflussen.
- In der Pubertät lagern Mädchen mehr Fett an Hüften und Oberschenkeln ein.
- Östrogen reguliert die Energiehomöostase des Körpers und spielt eine Rolle im Fettstoffwechsel, einschließlich des Unterhautfetts.
- Progesteron kehrt die gewichtsreduzierenden Wirkungen von Estradiol um.
Ein Defizit an Aldo-Ketoreduktase würde zu einem Anstieg von Progesteron im Unterhautgewebe führen. Dies unterstreicht die Bedeutung des Hormonhaushalts und der genetischen Faktoren bei der Entstehung und Entwicklung des Lipödems. Es ist essentiell, das Zusammenspiel dieser Elemente weiter zu erforschen, um ein umfassenderes Verständnis dieser Erkrankung zu erlangen und wirksame Behandlungsmethoden zu entwickeln.
Beeinträchtigte Lymphfunktion und Lipödem
Neuere Forschungen zeigen einen direkten Zusammenhang zwischen gestörter Lymphfunktion und Lipödem. Wissenschaftler der Stanford University entdeckten, dass der Marker PF4, auch bekannt als Plättchenfaktor Vier, bei Lipödem- und Lymphödempatienten erhöht ist. Dieser Faktor wird von Blutplättchen als Reaktion auf Verletzungen und Entzündungen freigesetzt.
- Erhöhte PF4-Werte bei Lipödem und Lymphödem
- PF4 signalisiert Entzündung und Lymphfunktionsstörung
Die Bedeutung dieser Entdeckung liegt in der Verbindung zwischen Lymphfunktionsstörungen und Fettansammlungen. Verschiedene Studien bestätigen, dass eine beeinträchtigte Lymphfunktion bei Lipödempatienten vorliegt.
- Beeinträchtigte Lymphfunktion bei Lipödempatienten nachgewiesen
Hakan Brorson stellte fest, dass Lymphödeme zu einer Zunahme der Fettdeposition in betroffenen Gliedmaßen führen.
- Zunahme der Fettdeposition bei Lymphödem durch Brorson dokumentiert
Zampell demonstrierte in einem Mausschwanzmodell, dass eine Verletzung des Lymphsystems zu einer erhöhten Fettansammlung führt.
- Lymphatische Stauung führt zu verstärkter Fettansammlung
Diese Erkenntnisse, kombiniert mit den Hinweisen auf Lymphfunktionsstörungen bei Lipödem, könnten das Phänomen der verstärkten Fettakkumulation an Armen und Beinen von Frauen mit Lipödem erklären.
Gestörte Gefäßfunktion als Ursache für Lipödem
Eine weitere Ursache für Lipödem könnte eine beeinträchtigte Gefäßfunktion oder eine Vasculopathie sein. In den frühen Stadien des Lipödems zeigen histologische Studien häufig eine Mikroangiopathie. Die Ausdehnung des Gewebes durch erhöhte Fetteinlagerung erfordert eine gesteigerte Vaskularität. Diese Gewebeausdehnung führt zu Gewebehypoxie, die wiederum eine Erhöhung entzündlicher Marker verursacht. Zu diesen Markern gehören:
- Tumor-Nekrose-Faktor (TNF-alpha)
- Interleukin 6 (IL-6)
Zudem kann es zu einer vermehrten Sekretion von VEGF kommen. Neben diesen vaskulären Problemen könnte Lipödem auch durch ein Problem im Lymphkreislauf bedingt sein. Die Lymphflüssigkeit fördert das Wachstum und die Differenzierung von Fettzellen. Eine mögliche Ursache könnte auch eine Obstruktion der Lymphkapillaren sein. Studien zeigen eine schlechte Aufnahme von Lymphe in den prälymphatischen Räumen und Lymphkapillaren bei Lipödem. Diese Erkenntnisse verdeutlichen die Komplexität des Lipödems und die Notwendigkeit weiterer Forschungen in diesem Bereich.
Ursache des Lipödems: Neuropathische Faktoren
Neuere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine Neuropathie zur Entstehung des Lipödems beitragen könnte. Eine verminderte Funktion der sympathischen Nerven könnte eine gestörte Lipolyse und eine vermehrte Fettansammlung zur Folge haben. Dies führt zu einer charakteristischen Verteilung des Fettgewebes bei Lipödem-Patientinnen. Dr. Karen Herbst hat eine verringerte Hauttemperatur bei Lipödem festgestellt, was auf eine beeinträchtigte Nervenfunktion hindeutet. Zusätzlich wurden von Hines folgende Symptome beobachtet:
- Erhöhte Gefäßstauung in den Extremitäten.
- Rötung der Füße.
Diese Beobachtungen unterstützen die Hypothese, dass neuropathische Veränderungen eine Rolle im Krankheitsprozess spielen.